Public-Private Partnership

Gegenstand der Interessen ist ein für gegenwärtige Bedürfnisse überdimensioniertes Gemeindehaus, dessen energetische Sanierung bevorsteht.

Die Kooperation zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft ermöglicht die Umsetzung eines innovativen Konzeptes, das durch Umnutzung und Aufstockung die Integration von neuem Wohnraum in dem bislang ausschließlich öffentlich genutztem Gebäude vorsieht.

Durch geschickte Teilung des komplexen Volumens und Umverteilung vorhandener öffentlicher Flächen entsteht innerhalb eines historischen Stadtkernes der Hybrid HAUS BÜRGER.

Das Bürgerhaus entstand in zwei Bauphasen – 1967 und 1980. Es diente als dreigeschossiges  Gebäude mit verschiedenen öffentlichen Funktionen. Es beherbegte unter anderem den Bürgersaal, eine Kegelbahn, ein Billiardzimmer, das TURMZIMMER, eine Gastronomie und Bürgerberatungsstellen, sowie eine Hausmeisterwohnung im 1. Obergeschoss. Das vorgefundene Volumen stellte sich in sich als sehr komplex und verschachtelt dar – eine tiefe Baumasse mit schlechter Belichtungssituation im Zentrum des Gebäudes.

HausBürger – ein Haus für Bürger, im öffentlichen wie im privaten Sinne.

Kellergeschoss und Erdgeschoss des Bestandsgebäudes bleiben als Sockel erhalten. Sie werden als Mischgeschosse von beiden Parteien – Stadt und Wohnungseigentümer – genutzt. In den Obergeschossen befinden sich reine Wohngeschosse, erhaben zum öffentlichen Raum. Beide Nutzungen erhalten separate Zugänge, die – unabhängig voneinander – die jeweiligen Nutzungsbereiche barrierefrei erschließen.

Von historischem Kulturgut gesäumt befindet sich das Bürgerhaus im Ortskern der Stadt Kirchhain.

Nördlich bis nach Westen erstreckt sich die alte Stadtmauer mit dem HEXENTURM, der das Areal dominiert. Südlich des Gebäudes erhebt sich die dreigeschossige ALTE SCHULE, wohingegen dem Bürgerhaus nordöstlich eingeschossige Lager gegenüberstehen. Anlässlich der unterschiedlichen Nivellements ist zur Nachverdichtung eine Aufstockung mit gestaffelten Geschossen vorgesehen, sodass sich der neue Baukörper höhentechnisch in die Stadtstruktur einbindet und zwischen den vorhandenen Stadtbausteinen vermittelt.

Energetische Sanierung des Bestandes. Die Fassade wird als Wärme-Dämm-Verbund-System hergestellt, alle Fenster werden ausgetauscht. Als gemeinsamer Energieerzeuger der beiden Nutzungen dient ein Blockheizkraftwerk.

Das Flachdach – ausgeführt als Gründach – dient der Regenwasserrückhaltung und entlastet bei starkem Niederschlag das örtliche Abwassersystem.

Aufgabe: Die statische Grundlage für die neue leichte Aufstockung als Holzbauweise – Rastermaß 4 x 4 – bildet ein vorhandenes Stahlbetonskellett im Rastermaß 5 x 5 m.

Lösungsansatz: Als Schnittstelle für den notwendigen Rastersprung dient ein großflächiger Rost, der die Lasten vom einen in das andere Tragsystem übersetzt.

Der im Erdgeschoss vorhandene massive Baukörper ist für eine Wohnnutzung – zwecks natürlicher Belichtung und Belüftung der Einheiten – in den Obergeschossen untauglich. Ab dem ersten Obergeschoss wird daher das massive Ausgangsvolumen mittels Erschließungsfuge/Laubengang und Hof in ein Cluster aus mehreren Volumen aufgelöst. Dadurch entstehen ein dreigeschossiger Riegel zum Parkplatz hin und zwei Wohntürme angrenzend an den Bürgersaal, die einen Innenhof begrenzen.

Alle Wohnungen des „Riegels“ basieren auf einem modularen System, das es ermöglicht einzelne Zellen variabel hinzu zu schalten. So lassen sich 3 verschiedene Wohnungsgrößen generieren. Lediglich die Wohnungen der Wohntürme besitzen feste Größen.

Durch den offenen – jedoch witterungsgeschützten – Laubengang wird eine natürliche Entrauchung der Rettungswege aus den OGs ermöglicht. Es bedarf hier keinerlei zusätzlicher technischer Hilfsmittel.

Die Stiftung Lebendige Stadt zeichnet jährlich in einem europaweiten Wettbewerb öffentliche Bauprojekte aus, die durch ihre Umsetzung das Stadtbild bereichern und urbane Lebensqualität steigern. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der vorbildlichen Realisierung durch „budget- und termingerechte“ Abwicklung, sowie einem „transparenten Planungs- und Entwicklungsprozess mit umfänglicher Bürgerbeteiligung“.

Im Jahr 2015 konnte sich das Projekt HausBürger gemeinsam mit 6 weiteren Bewerbern eine Anerkennung für eben diese Leistungen sichern. Eingereicht wurden insgesamt 129 Vorschläge.

BEWERTUNG DER JURY:

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Das sanierungsbedürfte und schadstoffbelastete alte Bürgerhaus stand vor der Schließung. Eine Sanierung des Komplexes schien aus Kostengründen unmöglich. Es kam nur eine Reduzierung der großen Gebäudefläche in Betracht, um die Kosten zu senken und das innerstädtische Areal besser zu nutzen. Die Gade Schlüsselfertigbau GmbH kaufte einen Teil des Gebäudes und gemeinsam mit der Stadt wurde das Gesamtobjekt saniert.

Der in städtischer Hand verbliebene Teil des Bürgerhauses wurde aus dem Verkaufserlös, Fördermitteln und einem geringen Betrag aus der Stadtkasse energetisch saniert. Die nun vorhandene bedarfsgerechte Fläche verursacht nur noch rund 30% der ursprünglichen Betriebskosten.

Auf der verkauften Fläche wurde barrierefreier Wohnraum geschaffen. Informationsveranstaltungen und ein Tag der offenen Tür boten Gelegenheit, das Projekt während der Bauphase mit zu verfolgen. Mit einer sehr guten Energieeffizienz, einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sowie geringe Heizkosten durch ein Blockheizkraftwerk ist das „Haus Bürger“ ein innovatives und nachhaltiges Projekt. Die neue Nutzung des Areals trägt zur Belebung der Innenstadt bei.

Innerhalb von zwei Jahren wurde das Projekt geplant und gebaut. Die veranschlagten Kosten in Höhe von 6,3 Millionen Euro wurden eingehalten.

Quelle: www.lebendige-stadt.de